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15

Dez

Meine ersten vier Monate in Perú

Liebe Leser,
Nun bin ich schon seit 4 Monaten im fernen Perú, als Freiwilliger des Bistum Essens. Ich arbeite hier als Unterstützer in einem „Hogar“ der Schule „Fe y Alegría 24“. Aber dazu später mehr.
Am 12.8.2017 stieg ich mit meinen Mitfreiwilligen Laura, Clara, Theresa und Tristan in den Flieger, nachdem ich mich noch am Flughafen von Freunden und meinen Eltern verabschieden konnte. Nach 14 Stunden Flug wurden wir dann am Flughafen von mehreren Peruanern empfangen. Danach stiegen wir in einen kleinen Van und fuhren über die vollgestopften Straßen Limas zu unseren Gastfamilien.
Dort angekommen habe ich das erste Mal meine Gastfamilie kennengelernt. Es empfingen mich alle, bis auf mein Gastopa Jesús, der noch seine Familie in Cusco besucht hatte. Viele waren sehr beeindruckt, das ich schon ein wenig Spanisch sprechen konnte. Wir haben uns gemeinsam an einen Tisch gesetzt und erstmal zu Abend gegessen. Die frisch gemachten Säfte haben es mir damals schon angetan. Der Empfang war sehr herzlich und mir wurde schnell klar, dass ich hier genau richtig bin. Ich wohne in einem Haus mit 3 Etagen. In der ersten Etage ist das Wohnzimmer mit Couch und großem Fernseher, ein Bad, die Küche, die Garage und das Zimmer von meinen Gastgroßeltern Jesús und María. In der zweiten Etage ist mein Zimmer mit Aussicht auf unser Viertel San Gabriel. In meinem Zimmer befindet sich ein Bett, ein Plastikstuhl, ein Schrank und zwei kleine Tische. Der Boden ist nicht gefliest und an einer Wand spiegeln sich noch die Reste eines Wasserschadens wieder. Dennoch ist es ein schönes, gelb gestrichenes Zimmer in dem ich mich gerne aufhalte. Auf der Etage befinden sich außerdem 2 Bäder, ein Gästezimmer mit ein paar Betten, ein Wohn-/Esszimmer und die Zimmer von Jesús, Kelly und ihrem 8 Monate alten Sohn Víctor Thiago und Yeraldin. In der dritten Etage befinden sich die Zimmer von meinen Gastgeschwistern Guillermo, Fiorella und Omar und ihren Eltern Luzmaría und Guillermo. Außerdem lebt hier noch der Hund Perla. Man hat sich direkt super wohl gefühlt. Die Peruaner sind im Vergleich mit den deutschen viel offener und herzlicher was einem vor allem am Anfang sehr gut tut. Man bekommt klar zu spüren das man hier wie Familie ist und nicht einfach nur der deutsche, der für ein Jahr im Haus ist. Zu meinem Gastbruder Guillermo konnte ich ziemlich schnell eine freundschaftliche Beziehung aufbauen, da wir schnell bemerkt haben, dass wir Spaß an den gleichen Sachen haben. Mit ihm und auch Fiorella, mit der ich mich auch sehr schnell gut verstand, hab ich dann auch öfter mal was unternommen. Dass ich fußballbegeistert bin wurde besonders bei den Männern im Haus mit Begeisterung zur Kenntnis genommen. Daraufhin durfte ich direkt dem Verein von Guillermo beitreten um jeden Sonntag am Fußballplatz zu sein. Jedoch musste ich schnell einsehen, dass ich doch lieber beim deutschen Fußball bleiben sollte. Mit der Familie ist man dann auch auf die ersten Partys gegangen- und das nicht selten. Die Peruaner nutzen jeden Grund um zu feiern und zu trinken. Zum Beispiel war ich auf einer Party, mit dem Anlass, dass eine Frau nun im neunten Monat schwanger war. Ihren Schwangerschaftsbauch schmückte eine kleine Krone. Das Haus besitzt eine Waschmaschine, wo ich mit kaltem Wasser meine Wäsche waschen kann wann immer ich will. Zum trocknen wird sie draußen aufgehängt. Geduscht wird sich auch überwiegend mit kaltem Wasser. Wenn der Strom mal ausfällt kann man duschen so gut wie vergessen, da man dann das Gefühl hat, sich mit Eiswasser zu duschen. Das kommt daher, dass das warme Wasser durch Stromleitungen im Duschkopf erzeugt wird. Die Dusche ist zu klein für mich und ich muss mich immer ducken, wenn ich mich waschen will. Wenn ich mit dem Kopf gegen den Duschkopf stoße, gibt es erstmal einen kleinen Stromschlag. Ich bin sehr glücklich mit meiner peruanischen Familie und würde diese um kein Geld der Welt eintauschen.

Wohnen tue ich im Viertel San Gabriel alto im Süden Limas. Dieses Viertel gehört zu Villa María Tríunfo oder auch San Juan. Man bekommt gelegentlich mit, dass es zu Schlägereien oder Überfällen kommt. Wenn man jedoch mit der nötigen Vorsicht durch die Straßen hier läuft, sollte einem nichts passieren. Außerdem sorgt sich die Gastfamilie sich sehr um einen und sagt uns immer, dass wir lieber nicht alleine nachts rausgehen sollen. Die Straßen sind staubig und nicht immer gepflastert. Müll liegt an vielen Straßenseiten und wird durch die Hunde dann verteilt. Ampeln o. Ä. gibt es hier nicht und man wird als Weißer bei Unbekannten immer eher mit skeptischen Blicken beobachtet. Das Viertel liegt direkt an den Bergen, auf denen sich die Armengegenden verbreiten. Dort leben viele Menschen ohne Wasser und Strom. Wenn ich von meinem Fenster die Berge mit seinen kleinen Hütten angucke, ist das ein sehr beeindruckendes Bild, was man in Deutschland nicht im Ansatz zu sehen bekommt.
Wie bereits gesagt arbeite ich in einem „Hogar“ einer Schule. Die Schule „Fe y Alegría 24“ wird von einem Orden aus Schwestern geleitet. Die Schule ist sehr groß. Sie wird viel durch Spenden finanziert, da die Eltern der Schüler nicht bezahlen müssen, um ihre Kinder hier zur Schule zu schicken. Einige bezahlen dennoch, damit die Ehre der Eltern und Familie nicht verletzt wird.

Um in den Hogar aufgenommen werden, müssen die Eltern der Kinder sich bei der Verwaltung der Schule bewerben. Es werden nur die Kinder aufgenommen, wo wirklich Not zur Aufnahme besteht, aufgrund der familiären-, schulischen- und sozialen Situation. Der Hogar besteht seit 6 Jahren und wird seitdem durch Freiwillige des Bistum Essens geleitet, mit Unterstützung von peruanischen Freiwilligen und anderen Mitarbeitern der Schule. Ich durfte als erster männlicher Freiwilliger meinen Dienst hier antreten. Unter einem Hogar kann man sich eine Ganztagsbetreuung vorstellen, in der die Kinder ihre Hausaufgaben machen können und danach mit uns zusammen spielen, basteln, … Die Kinder sind aufgeteilt in 2 Gruppen. Der „Turno mañana“ kommt morgens von 8.00-13.00 und besteht aus 11 Kindern. Sie kommen morgens zu uns, da sie nachmittags Unterricht haben. Ihre Eltern arbeiten den ganzen Tag und die Kinder müssten dann nach der Schule alleine sein. Das ist in Häusern mit oftmals ungesicherter Tür nicht so vorteilhaft. Der „Turno Tarde“ kommt dann im Anschluss. Der Tagesablauf ist von der Verwaltung durchgeplant, jedoch können wir variabel immer alles ändern und unsere Ideen einbringen. Der Rahmen ist gegeben und wir müssen den Rest gestalten. Grob gesagt wird im Hogar gefrühstückt oder Mittagspause gemacht, Hausaufgaben gemacht, gespielt und Mittaggegessen. Am Anfang des Jahres standen die Lehrer im Streik. Deswegen konnten wir erst nach zwei Wochen anfangen zu arbeiten. Mit „wir“ meine ich Laura, Clara, Theresa und mich, da Tristan in dem Projekt im Gefängnis untergebracht ist. Diese zwei Wochen waren zum Einleben und um organisatorische Sachen zu erledigen super, aber dann wollten wir auch endlich mal die Kinder kennenlernen. Uns wird oft ans Herz gelegt sehr streng mit den Kindern zu sein, weil viele in uns noch nicht die Autoritätsperson sehen und oftmals sehr respektlos agieren. Der Ton der peruanischen Eltern ist häufig sehr streng. Es wurde uns auch schon von manchen Eltern gesagt, dass wir ihr Kind ruhig schlagen können, wenn es mal wieder nicht hört. Das gilt aber nicht für alle Eltern. Bei den meisten sieht man, wie sehr ihre kleinen Racker ihnen am Herzen liegen, sie aber nicht für sie immer da sein können, weil das Geld oder die Zeit einfach fehlt, da die Eltern den ganzen Tag arbeiten um das Nötigste zu verdienen. Einige Kinder mussten schon den Tod eines Elternteils erleben oder wurden von Vater/ Mutter alleine gelassen. Sie wohnen in den sogenannten „cerros“, den Ghettos oder Slums Limas. Viele Kinder haben Probleme in der Schule und sind auf Hilfe angewiesen. Schlägereien, Beleidigungen und Spuckattacken sieht man nicht selten. Jedes Kind hat seine eigene Macke mit der es zu kämpfen hat und die ihm das Arbeiten sehr erschwert. Wir sind uns bei vielen Kindern einig, dass sie in Deutschland in eine Einzel- oder Sonderbetreuung müssten. Oft geht man nach der Arbeit völlig erschöpft nach Hause und verflucht jeden einzelnen. Dennoch weiß jeder von uns, dass wir jeden von den „chicos“ vermissen werden.

Auf der Arbeit ist unsere Ansprechperson Rosaria Yalta oder auch Charo. Und bei ihr wissen wir alle, dass wir ihr immer alles sagen und anvertrauen können. Charo ist immer für uns da, was für uns vieles leichter macht.
Der Hogar ist abhängig von der Anwesenheit der Freiwilligen, da keine Personalie da ist um die Kinder zu betreuen und ihnen zu helfen. Das kann schwer sein, da man schnell in Notstände geraten kann, wie zum Beispiel als Laura, Theresa und ich krank wurden und Clara auf Reisen ging mit ihrer Familie. Da ist man dann auch arbeiten gegangen, obwohl es vielleicht besser gewesen wäre zu Hause zu bleiben. Dennoch bin ich zufrieden mit der Situation, da man ganz klar sieht, dass man gebraucht wird, was einen noch zusätzlich motiviert arbeiten zu gehen. Die Arbeit ist oft sehr anstrengend und nervenraubend, aber macht trotzdem Spaß.
Etwas komisch wurde es dann erstmals als ich hier meinen Geburtstag gefeiert habe. Es kam kein richtiges Geburtstagsgefühl bei mir auf. Ich stand auf und hab mich geduscht, wie an jedem anderen Tag auch. Da hat natürlich die Familie sehr gefehlt. Trotzdem wurde sehr herzlich gefeiert. Die Kinder haben mir etwas Liebes geschrieben und gebastelt und es wurden während des Essens zwei Torten für mich gekauft, die natürlich mit den Kindern geteilt wurden. Am Abend haben wir dann alle bei mir zu Hause ein bisschen gefeiert und es wurde auf peruanische Art gesungen, was sich nebenbei tausendmal besser anhört als auf Deutsch. Trotzdem war es ein schöner Geburtstag den ich so nicht noch einmal erleben werde und nie vergessen werde.
Zu Perú kann man sagen, dass es ein sehr beeindruckendes Land ist. Alleine, dass es in diesem Land Regenwald, Wüste, Meer und Berglandschaft gibt zeigt, dass man überall Orte finden kann, die man entdecken könnte. Wir haben letztens noch einen Trip nach Icá in die Wüste gemacht. Zurück kamen wir, leider mit einer Lebensmittelvergiftung, aber auch mit tollen Erfahrungen und einiger lustiger Geschichten. Lima an sich ist eine Stadt mit zwei Gesichtern. Der arm-reich Unterschied ist klar zu erkennen. Für mich war auch sehr beeindruckend zu sehen, dass die Menschen aus den reichen Teilen Limas keine Ahnung haben, wie es in anderen Vierteln abgeht. In einer Stadt wird mit Vorurteilen um sich geschmissen wo man nur kann. Was man schon alles an „Weisheiten“ gehört hat über unsere Wohngegend kann man schon gar nicht mehr an zwei Händen abzählen.
Lima ist eine sehr dreckige Stadt. Wer sagt, dass der Klimawandel eine Lüge ist war noch nie hier. Müll und Straßenhunde sind hier an vielen Ecken zu finden. Grünflächen sind eine Seltenheit. Jedoch nicht in den feineren Stadtteilen. Dort sieht es sehr nordamerikanisch und zum Teil auch europäisch aus. Hier laufen auch die ganzen Touristen herum. Der Verkehr hier ist der Wahnsinn. Wie die Peruaner es schaffen hier zu fahren ohne jedes Mal ihr Auto zu Schrott zu fahren ist mir immer noch ein Rätsel. Die Straßen sind vollgestopft bis zum geht nicht mehr. Überall Autos, wovon die Hälfte in Deutschland aus Sicherheitsgründen überhaupt nicht mehr fahren dürften. Die Polizei ist hier als sehr korrupt bekannt, weswegen viele Menschen hier ohne Führerschein oder auch betrunken die Straßen unsicher machen und nach einem kleinen Schmiergeld trotzdem weiterfahren können. Wenn ein Polizei-/ oder Krankenwagen mal mit Blaulicht auf der Straße steht muss man nicht denken das Platz gemacht wird. Es wird sich eher noch vorgedrängelt. Das Bussystem ist ein Rätsel für sich. Man muss auf Farbe, Buchstaben, Route und/oder Nummer achten. Das gilt für die offiziellen Busse. Denn es gibt noch die kleinen Vans. Diese besitzen einen Fahrer und einen Fahrkartenverkäufer, der bei voller Fahrt aus offener Tür die Ziele der Fahrt rausbrüllt. Es wird egal wo gehalten um Passagiere ein-/ bzw. aussteigen zu lassen. Als ich das erste Mal in so einen Van eingestiegen bin, bin ich natürlich erstmal fast hingefallen, da die Fahrer wie die letzten Wahnsinnigen durch die Straßen rasen. Bei unserer ersten Fahrt alleine haben Clara, Theresa und ich uns natürlich erstmal verfahren. Doch man lernt aus seinen Fehlern und jetzt wissen wir, dass wir den gelben Bus mit der G nehmen müssen und nicht den blauen.
Unser Freiwilligenteam hier in Lima besteht aus Laura, Clara, Theresa, Tristan und mir. Tristan wohnt jedoch 1 ½ Stunden entfernt von uns, weswegen wir uns nur relativ selten sehen können. Dennoch versuchen wir immer gelegentlich zusammen was zu unternehmen, wenn der Terminkalender es zulässt. Oftmals scheitert es daran, dass wir noch Sachen für den Hogar erledigen müssen und deswegen absagen. Wir vier vom Hogar hocken uns häufig sehr aufeinander, da wir oftmals 10 Stunden auf der Arbeit pro Tag und dann noch am Wochenende miteinander zu tun haben. Obwohl ich am Anfang noch skeptisch war, verstehen wir uns alle ziemlich gut und lachen auch viel zusammen. Wir arbeiten gut als Team und ich bin sehr glücklich mit meinen Mädels.
In diesem Bericht lassen sich natürlich nur grob meine ersten Eindrücke aus vier Monaten zusammenfassen. Es gibt einiges, was ich nicht erzählt habe oder was mir auch einfach grad nicht einfällt. Dennoch kann ich sagen, dass ich mich hier immer wohlgefühlt habe, auch wenn einem Deutschland natürlich immer mal wieder fehlt. Ich würde diese Entscheidung immer wieder machen und für das Bistum Essen nach Perú gehen. Es steht natürlich noch einiges hier an, wovon dann in Zukunft berichtet wird, wie Weihnachten, Neujahr, die großen Reisen und das Zwischenseminar mit allen Freiwilligen aus Südamerika. Bis dahin machen Sie/ macht ihr es gut. Ich denke auch, dass ich seit ich hier bin schon vieles dazu gelernt habe. Außerdem weiß ich schon nach vier Monaten viele Sachen in Deutschland sehr zu schätzen, was man früher als selbstverständlich angesehen hat. Ich möchte außerdem danke an alle sagen die mich bis jetzt begleitet und unterstützt haben. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit meiner aktuellen Lage hier in Perú und es gibt erstmal nichts, was ich ändern möchte.
Mit freundlichen Grüßen aus 10.500km Entfernung
Lennart

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