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27

Okt

Auf der anderen Seite der Welt

Wir (das sind Moira und ich) sind jetzt genau 60 Tage in Bolivien. Seit unserer Abreise am 27. August von Düsseldorf hat sich Einiges verändert, würde ich sagen. Nicht nur, dass wir plötzlich auf der anderen Seite der Welt gelandet sind sondern auch, dass wir hier ein von Grund auf anderes Leben führen dürfen/ können/ müssen.

Inzwischen dürfen wir auch legal hier bleiben (wobei das immer noch nicht in trockenen Tüchern ist), weil wir endlich unser Visum beantragt haben, was – by the way – wirklich nicht einfach war und uns sehr viele Nerven und Tränen und Blut gekostet hat. Allerdings können wir unsere Reisepässe mit Visa noch nicht in den Händen halten, weil der Prozess aus (uns unbekannten) Gründen noch dauert.

Unseren Sprachkurs haben wir sogar schon beendet, der am Plaza 24 de Septiembre stattgefunden hat. Es war ganz schön kompliziert bis wir den richtigen Kurs gebucht hatten aber es hat dann tatsächlich geklappt. Durch den Sprachkurs wurden wir zum Goethe- Café, einem Sprachcafé, eingeladen, was uns die Möglichkeit gibt mal wieder Deutsch zu sprechen – auch mit Bolivianern – oder unsere Spanischkenntnisse stetig zu verbessern.

Plaza 24 de Septiembre

Aller Anfang ist schwer. Das wird ja immer so gesagt aber es stimmt einfach. Zumindest kann ich das für die erste Zeit in Santa Cruz de la Sierra für mich bestätigen.

In den ersten Tagen kannten wir nicht einmal die Uhrzeiten der einzelnen Mahlzeiten. Nach drei Tagen haben wir dann herausgefunden, dass es sogar nachmittags noch eine weitere Mahlzeit gibt, die merienda, bei der es immer kleine Teilchen und etwas zu trinken gibt. Es hat auch ziemlich lange gedauert bis wir verstanden haben, dass wir uns eigene Löffel aus der Wohnung mit zu den Essenszeiten bringen müssen, da jedes Hogar abgezählte Löffel hat.

Außerdem hatten wir anfangs leider nur sehr wenig Kontakt zu den Kindern, weil wir noch nicht wussten mit welchen Kindern wir arbeiten werden und weil wir das vollständige System noch nicht verstanden hatten. Das hat sich aber glücklicherweise etwas geklärt.

Der Empfang am Flughafen war ziemlich freundlich und ich habe mich direkt ganz gut aufgehoben gefühlt. An dem Morgen, an dem wir angekommen sind, haben wir zuerst mit den Brüdern des Hogars gefrühstückt und uns mit unserem gebrochenen Spanisch versucht zu unterhalten, was auch für den Anfang ganz gut geklappt hat, aber etwas komisch und ungewohnt war.

 

Im Laufe der ersten Woche ist Fray Gerásimo, der Direktor des Hogars, mit uns in die Innenstadt gefahren. Bei dieser Gelegenheit sind wir auch das erste Mal mit dem Bus gefahren, was echt eine Sache für sich ist. Es gibt nämlich keine Haltestellen und keine Abfahrtszeiten, es gibt verschiedene Buslinien, die unterschiedliche Strecken abfahren. Wenn wir mit einer Linie fahren möchten, müssen wir winken um einsteigen zu können und Bescheid sagen, wenn wir wieder aussteigen wollen (das System ist definitiv effektiver als in Deutschland würde ich sagen, wobei wir eine Bolivianerin getroffen haben, die ein Jahr in Deutschland war und das deutsche System des Verkehrs vermisst…). Der Verkehr ist eher hektisch und chaotisch, da alle, für mein ungeübtes deutsches Auge, so fahren, wie sie wollen.

 

Morgens helfen wir abwechselnd in der Küche oder in der Waschküche, wo die Arbeit nie zu enden scheint. Was mich irgendwie fasziniert ist das Wäschesystem: jedes Kind hat eine eigene Nummer im jeweiligen Hogar und so steht auf jeder Bettwäsche und allen Klamotten diese Nummer drauf, so hat jedes Kind eigene Sachen. Die Mamis – so werden alle Mitarbeiterinnen liebevoll genannt – in der Küche und in der Waschküche sind total herzlich und erklären uns Alles, ob es um das System im Hogar geht oder um persönliche Fragen.

Moira und ich sind „geschäftlich“ getrennt, da ich im Hogar 1 arbeite und Moira im Hogar 2. Das sind die Gruppen mit den jüngsten Kindern des Kinderheims. Insgesamt wohnen hier knapp 150 Kinder von ungefähr 4 bis 18 Jahren, und zwar ausschließlich Jungs. In den beiden Hogars helfen wir bei den Hausaufgaben und unterstützen die educadores beim Gelingen des Alltags.

Wir wohnen in einer Wohnung auf dem Gelände des Hogars. In den ersten zwei Wochen haben hier auch noch vier spanische Studenten gewohnt, die sind inzwischen allerdings in die Universität gezogen. Als erstes haben wir eine Grundreinigung der Küche und der Badezimmer durchgeführt, da dies etwas vernachlässigt wurde, um es vorsichtig auszudrücken.

 

Unser bester Freund, der Supermarkt, macht glaube ich echt starke Verluste, wenn wir nicht mehr da sind, weil wir gerade in der ersten Woche fast jeden Tag im Supermarkt waren, da wir nichts zu tun hatten. Mir schmeckt das Essen hier echt unglaublich gut und ich wusste gar nicht wie viele Variationen es von Hühnchen mit Reis gibt, was mein Rezepte Repertoire um unzählige Gerichte erweitert. Mittlerweile haben wir uns allerdings angewöhnt unsere Einkäufe auf dem nahegelegenen Markt zu erledigen, auf dem es wirklich alles in großer Auswahl gibt.

Mir ist die Umstellung von „deutscher“ Kultur auf die bolivianische nicht so schwer gefallen wie gedacht und wir arbeiten fleißig daran die Wohnung belebbarer und wohnlicher zu machen, indem wir alles putzen. Inzwischen haben wir sogar schon einmal Blumen „gekauft“.

 

Straßenblockade auf einer vierspurigen Straße

Letzten Sonntag haben die Präsidentschaftswahlen für den nächsten Präsidenten stattgefunden und ja was soll ich sagen: seitdem steht das ganze Land Kopf. Seit Dienstag mittag ist es prinzipiell sehr ruhig auf den Straßen, denn seitdem gibt es einen unbestimmten Generalstreik. Generalstreik bedeutet hier, dass so gut wie niemand arbeitet und die Straßen nicht befahren sind und das alles auf unbestimmte Zeit. Dies sind die Reaktionen der Bevölkerung auf die Wahl, die Gerüchten zufolge korrupt abgelaufen sein soll. Die Wahlen haben auch Auswirkungen auf den Alltag bei uns im Hogar, da die meisten Mamis nicht kommen können, weil ja keine Verkehrsmittel fahren dürfen. Zudem kommt, dass die Jungs auch keine Schule haben und so müssen alle auch noch vormittags beschäftigt werden. Diese Beschäftigung besteht darin fernzusehen und zu putzen und noch mehr Fußball als sonst zu spielen.

Bastelaktion im Hogar 1

 

Am letzten Wochenende haben wir auch die erste kleinere Aktion mit den beiden Hogars gemacht und zwar haben wir mit ihnen Deko für Halloween gebastelt. Insgesamt hat das in beiden Gruppen ohne größere Zwischenfälle gut funktioniert und hat allen Beteiligten viel Spaß gemacht.

 

Vielleicht bis die Tage dann persönlich, falls wir evakuiert werden, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob wir so schnell zu Fuß am Flughafen ankommen, da ja alle Straßen blockiert sind; mal sehen, bis dahin.

 

 

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