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15

Dez

Mein Alltag in Peru

Seit 3 ½ Monaten lebe und arbeite ich nun in Perus Hauptstadt Lima im Viertel San Gabriel Alto. Die Schule, in der ich mit 3 weiteren Freiwilligen meiner Organisation arbeite, heißt Fe y Alegria 24 und ist eine Grundschule und Weiterführende Schule. Die Schule wird von den Schwestern der Liebe Gottes (Hermanas del Amor de Dios) geleitet, die auch vor 5 Jahren den Hogar Amor de Dios gegründet haben. In dieser Tagesbetreuung bekommen die Kinder eine warme Mahlzeit, Hilfe bei den Hausaufgaben und haben Zeit zu spielen. Die Eltern haben den Tag über keine Zeit sich um ihre Kinder zu kümmern, da sie arbeiten müssen um das Nötigste zu verdienen. Aus diesem Grund haben sie die Möglichkeit ihre Kinder in die Tagesbetreuung zu schicken. Im Hogar betreuen wir Jungen und Mädchen von der ersten bis zur sechsten Klasse. Außerdem kommen auch zwei Jungen in den Hogar, die noch in den Kindergarten gehen, da ihre Brüder auch den Hogar besuchen und sie sonst keine Betreuung hätten.

Die Kinder kommen überwiegend aus schwierigen Verhältnissen. Ein Geschwisterpaar aus dem Hogar lebt zum Beispiel unregistriert in einer Hütte ohne fließend Wasser. Oder ein anderer nimmt immer noch extra Mittagessen mit nach Hause, damit seine Familie eine warme Mahlzeit hat. Fast alle erleben auch sehr viel Gewalt zuhause. Wir hatten schon öfter Situationen, in denen uns Kinder erzählt haben, wie sie zuhause geschlagen werden oder ein Junge wollte die letzten Wochen nie nach Hause gehen, da er Angst hatte, dass sein Vater ihn wieder schlägt. Andere setzten die Gewalt, die sie zuhause vorgelebt bekommen, auch im Hogar ein. Besonders die älteren Jungen sind oft sehr grob und gemein im Umgang mit den Jüngeren. Gerade in den ersten Wochen war es wirklich nicht einfach mit Konfliktsituationen der Kinder umzugehen, da die eigenen Spanischkenntnisse einfach zu gering waren. Viele haben auch große Konzentrationsschwächen und können sich keine 5 Minuten auf ihre Aufgaben konzentrieren. Da hilft nur gutes Zureden und man braucht wirklich viel Geduld.

An manchen Tagen fordern sie einen auch wirklich sehr heraus, wenn sie mal wieder ihre Hausaufgaben nicht machen wollen und uns dafür anlügen, respektlos zu den anderen Kindern oder auch zu uns sind und einfach gar nicht hören wollen. Aber ich kann wirklich sagen, dass, so anstrengend die Kinder auch manchmal im Hogar sind, man zu jedem eine Bindung hat. Da wir auch keine Lehrer an der Schule sind, haben die Kinder auch nochmal ein ganz anderes Verhältnis und eine Vertrauensbasis zu uns, was ich sehr schön finde.

Der Tag im Hogar ist sehr strukturiert aufgebaut, damit die Kinder einen geregelten Tagesablauf haben. Der Arbeitstag beginnt jeden Tag um 8 Uhr, indem wir den Hogar aufschließen und alle 11 Kinder des `Turno Mañanas´ bis 8:30 Uhr langsam eintrudeln. Dann beginnt der Hogartag mit einem kurzen Gebet und dann gibt es für jedes Kind ein Brot und Milch, da die meisten zuhause kein Frühstück bekommen. Um 9 Uhr beginnt dann die Hausaufgabenzeit, bei der ich den Kindern helfe. Viele brauchen dabei Einzelbetreuung, da sie sich nicht allein auf die Aufgaben konzentrieren können oder große Defizite im Rechnen, Lesen und Schreiben haben. Um 11Uhr beginnt dann der `Taller`, die Zeit in der die Kinder spielen können. Die Aktivitäten sind von Tag zu Tag unterschiedlich. Mal gehen wir raus, um mit den Kindern Tischtennis oder Kicker zu spielen, oder wir spielen gemeinsam auf dem großen Schulhof. An anderen Tagen wird gebastelt, es werden Spiele im Hogar gespielt oder es wird ein Film geschaut. Um 12 Uhr gibt es dann Mittagessen für alle, welches die Köchin immer abwechslungsreich und gesund zubereitet. Die Kinder sind jedoch nicht immer sehr begeistert von dem vielen Gemüse, da sie sich außerhalb der Schule eher ungesund ernähren. Nach dem Essen müssen sich alle für die Schule fertigmachen. Das heißt Zähne putzen, Schuluniform anziehen und kämmen. Hierbei trödeln die Kinder sehr gerne mal etwas rum und nutzen jede Chance um erst ein bisschen später in den Unterricht zu müssen. Während sich die letzten Kinder des `Turno Mañanas` auf den Weg in den Unterricht machen, kommen ca. um 1 Uhr die 16 Kinder des `Turno Tardes` aus der Schule. Hier ist der Ablauf eigentlich gleich, nur dass die Kinder mit dem wechseln der Schuluniform in normale Kleidung anfangen und danach Mittagessen bekommen. Daraufhin werden die Zähne geputzt und die Hausaufgabenzeit beginnt. Um 16:45Uhr beginnt dann der `Taller` und der Tag endet mit einem Gebet.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich kann wirklich sagen, dass mein Leben hier in Peru komplett anders ist als in Deutschland, da sich die beiden Länder und mein neues Umfeld sehr unterscheiden. Aber auch allein nur Lima ist eine so unglaublich vielfältige Stadt. Ich lebe hier in einem Randviertel Limas und bin umgeben von Bergen die bis oben hin mit Hütten bebaut sind, wo man sich fragt wie dort überhaupt jemand drin leben kann. Es gibt nicht immer befestigte Straßen, es ist sehr staubig und auch leider sehr dreckig. Aber zum Beispiel in Miraflores, dem reichsten Stadtteil Limas ist es sehr westlich und modern. Es gibt viele Malls und Straßen, in denen es nur so von Villen wimmelt. In den ersten drei Monaten bin ich jeden Tag nach Miraflores gefahren, um dort einen Sprachkurs zu besuchen. Im Gespräch mit den Leuten und Lehrern der Schule hat man oft herausgehört, dass sie überhaupt nicht wissen, wie es in den Randvierteln Limas aussieht und sehr große Vorurteile den Menschen dort gegenüber haben. Ich kann aber sagen, dass ich mich in San Gabriel sehr wohlfühle und ich die Vorurteile der Peruaner in Miraflores nicht bestätigen kann. Natürlich ist es hier anders aber ich habe wirklich nicht lang gebraucht mich an die neuen Umstände zu gewöhnen und es als mein neues Zuhause anzusehen.

Dabei hat aber bestimmt meine Gastfamilie auch eine große Rolle gespielt. Sie haben mich seit dem ersten Tag direkt so wie ein volles Familienmitglied behandelt und ich könnte mich wirklich nicht wohler fühlen. Meine Familie besteht einmal aus meiner Gastoma/mutter Maria, ihrer Tochter Norma mit ihrem Mann Tonio und meinen Gastgeschwistern Olenka (10Jahre) und Yerick (7Jahre). Natürlich gibt es noch unzählige weitere Familienmitglieder aber die wohnen nicht bei uns im Haus. Trotz der Tatsache, dass man sich in den ersten Wochen aufgrund meiner mangelnden Spanischkenntnisse nicht wirklich gut unterhalten konnte fühlte ich mich nie einsam oder unverstanden. Wir haben dann eben mit Händen und Füßen kommuniziert. Natürlich lebe ich hier um einiges ärmer als in Deutschland. In der Küche regnet es zum Beispiel manchmal rein, der Strom fällt öfter mal aus und in meinem Zimmer bröckelt gelegentlich der Putz von den Wänden, aber irgendwie konnte ich das alles von Anfang an annehmen und das waren alles keine Gründe, warum ich mich nicht hätte wohlfühlen können. Außerdem wurde ich auch gefühlt seit dem ersten Tag auf jegliche Feste und Familienfeiern mitgenommen und dort wurden mir dann selbstverständlich all meine neuen Onkel, Tanten, Cousins usw. vorgestellt die mich alle freudig begrüßten und sofort alles über mich wissen wollten. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich mich so schnell in einer anderen Familie einlebe und sie als meine zweite peruanische Familie ansehen kann und will mir jetzt noch nicht vorstellen wie schwer wohl der Abschied werden wird.

 

 

Mein Spanisch hat sich natürlich auch sehr verbessert, aber wirklich komplett ALLES verstehen tu ich noch nicht und ich muss bei längeren Unterhaltungen auch noch überlegt sprechen. Aber ich denke das kommt alles automatisch in den nächsten Monaten. Mit den Kindern zu kommunizieren ist aber kein Problem, da man irgendwie von Anfang an keine Hemmungen hatte Fehler zu machen wie bei Erwachsenen. Der dreimonatige Sprachkurs war auch eine sehr große Hilfe dabei die Grammatik nochmal genau zu wiederholen und zu verstehen. Außerdem hat man auch wirklich nette neue Leute kennengelernt. Dadurch, dass die Sprachschule ungefähr 1 ½ Stunden entfernt war, hat man auch sehr schnell gelernt allein mit dem Bus durch Lima zu fahren, denn das ist wirklich nicht so einfach. Aber man ist schnell selbstständig geworden und hat neue Ecken Limas kennengelernt. Als der Kurs vorbei war, war man schon fast ein bisschen traurig, da es so zum Alltag geworden war dorthin zu fahren und mit mehreren Leuten Spanisch zu lernen.

Ein wirkliches Highlight der ersten Monate war meine erste Reise in Peru Ende September ins Heimatdorf meiner Mamita. Die Fahrt dorthin war sehr lang, da wir zuerst von Lima 18 Stunden mit dem Bus nach Abancay fahren mussten und von Abancay nochmals 7 Stunden mit einem kleinen Auto auf unbefestigten Straßen. Aber die Landschaft die man auf dem Weg sehen konnte war wirklich traumhaft schön. In Mamara selbst wurde in der Woche in der wir dort waren ein großes Fest zu Ehren des Erzengel Gabriel gefeiert. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel getanzt wie in dieser Woche!! Außerdem wurden mir natürlich auch direkt die traditionellen Gerichte der Region aufgetischt wie zum Beispiel Schafsherz oder Meerschweinchen. Das Schafsherz war wirklich gut aber das Meerschweinchen war etwas gewöhnungsbedürftig. Leider hatte ich auch ein bisschen mit der Höhenkrankheit zu kämpfen, da das Dorf auf fast 4000m Höhe liegt. Bei einer Wanderung in der Umgebung mussten wir wirklich fast alle 15 Minuten eine Pause machen, weil ich so außer Atem war. Aber meine Mamita war darauf natürlich vorbereitet und hat mir Cocablätter zum Kauen und irgendein selbst gemischtes Getränk gegen die stechenden Kopfschmerzen und die Übelkeit gegeben.. das hat dann ein bisschen geholfen. Und natürlich darf bei einem traditionellen peruanischen Fest der Stierkampf nicht fehlen. Der war das große Highlight am Ende der Woche. Ich finde diese Tradition ja eher fragwürdig aber hier in Peru ist das so normal wie in Deutschland wahrscheinlich Pferderennen.

In den nächsten drei Monaten stehen erstmal Weihnachten und die längeren Reisen an, da in einer Woche die 2-monatigen Sommerferien beginnen. Ich bin zwar absolut nicht in Weihnachtsstimmung aber ich bin schon sehr gespannt auf das Weihnachten in meiner Familie. Am 03.01.18 geht es los nach Iquitos, eine Stadt im Regenwald die am Amazonas liegt. Ende Januar müssen wir zurück nach Lima, da das Zwischenseminar vom 21.01. bis zum 28.01. hier stattfindet. Aber danach geht es sofort weiter nach Cusco zum Machu Picchu, Arequipa und zum Titicacasee nach Puno. Bolivien wollen wir auch noch einen kurzen Besuch abstatten. Ich freue mich schon sehr darauf Peru besser kennenzulernen und bin schon sehr gespannt. Anfang März fängt dann auch wieder das neue Schuljahr an und es werden bestimmt ein paar neue Kinder in den Hogar kommen. Aber jetzt sind heißt es erstmal ein bisschen entspannen in den Ferien.

In den vergangenen Monaten habe ich wirklich so viel erlebt und neue Erfahrungen gemacht und die Monate sind vergangen wie im Flug. Ich glaube in den letzten Monaten bin ich um einiges geduldiger geworden, da die Kinder einem dies sehr abverlangen. Aber egal wie anstrengend die Tage auf der einen Seite manchmal sind und wie sehr mich die Arbeit auch herausfordert, macht sie mir auf der anderen Seite auch unglaublich Spaß, da man spürt, dass man hier wirklich gebraucht wird. Ich habe die Kinder auch so schnell in mein Herz geschlossen und die Kinder auch uns Freiwillige, dass der Abschied sicherlich nicht leicht werden wird, da man weiß, dass man bestimmt nicht mehr alle wiedersehen wird. Aber ich versuche jetzt noch nicht so viel über das Ende meines Jahres nachzudenken, obwohl ich auch nicht glauben kann wie schnell die letzten Monate vergangen sind.



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